Es ist schon sehr erstaunlich, wie das Leben einem so spielt. Es war ein sehr schöner Herbstsamstag, wolkenlos und es herrschten sehr angenehme Temperaturen. Meine Frau ist derzeit zwar in der Slowakei, dennoch wollte ich den Tag sinnvoll nutzen. Raus kam mein Interview mit einem Bär.

Endlich wieder eine Fotosafari

Ich entschloss mich auf Fotosafari zu gehen, da ich dieses Mal die gesamte Fotoausrüstung bei mir hatte. So gegen 10 Uhr machte ich mich voller Freude auf, den Tag mit dem zu verbringen, was mir unheimliche Freude bereitet, dem Fotografieren.
Dazu entschloss ich mich nach langer, sehr langer Zeit, wieder mal den Alpenzoo in Innsbruck zu besuchen. Das letzte Mal war ich in der Volksschule da und ich kann mich noch gut erinnern, wie begeistert wir damals die Tiere beobachteten. Mit Vorfreude schmiegte ich den Plan, die Tiere des Alpenzoos so abzulichten, dass man es nicht erkennen sollte, dass sie in einem Zoo sind. “Wird schon irgendwie gehen”, dachte ich mir. Geplant war ein schöner Tag mit einer tollen Fotoausbeute und einer netten Reportage über den Alpenzoo für unseren Blog. Nein, ich wurde nicht bezahlt, musste so wie jeder andere auch Eintritt bezahlen und auch die Parkgebühr für das Auto entrichten. Es sollte also lediglich ein informativer Bericht über den Alpenzoo als Ausflugsziel werden. Nicht mehr und auch nicht weniger. Gekommen ist allerdings alles ganz anders – so wie ich es nie für möglich gehalten hatte. Aber der Reihe nach…

Der Alpenzoo in Innsbruck

Auf der Hungerburg angekommen, wies mich ein Parkwächter gleich mal ein. “Oje” dachte ich – es schien, als ob mehrere Menschen dieselbe Idee hatten. Menschenmengen in Coronazeiten muss ich nicht wirklich haben, dennoch wagte ich den Eintritt, bewaffnet mit Fotorucksack, Teleobjektiv und einem Mundschutz. Man weiss ja nie. Die 5 Euro vom Parken für 5 Stunden sollten eigentlich für mein Vorhaben reichen. Teuer, aber dieses Geld kommt laut Beschilderung auch dem Zoo zu Gute, also kein Problem, so meine Einstellung. Auch die 12 Euro Eintritt kamen mir persönlich teuer vor, aber ich wusste ja nicht, was sich seit dem letzten Mal alles verändert hatte. Vom Parkplatz weg markierten gemalene Bärentatzen am Boden den Weg zum Eingang. Schon ab dort bekommt man mit, dass der Bär eine wesentliche Rolle spielt hier im Zoo.

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In Reih und Glied

An der Kasse gleich mal angestanden, mit Mundschutz in Reih und Glied, nahm ich das Ticket entgegen und freute mich nur mehr auf das Bevorstehende. Gleich am Eingang empfingen mich ein toller Teich und dessen Bewohner. Enten hatten es sich gemütlich gemacht und imposante Biberstatuen luden ein, es sich auf den Bänken gemütlich zu machen. Ein großer Steinbock hiess die Gäste Willkommen. Ich nutzte die Bank, um meine Kamera mit dem richtigen Objektiv aufzumagazinieren. Das Tele musste her und schon war das erste Bild im Kasten. Eine Ente beim Chillen. Nicht sehr aufregend, aber immerhin.

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Mit dem Handy hielt ich das tolle Gebäude fest, auf dessen Wand mir schon wieder ein Bär entgegen sprang. Also wieder ein Trigger, der einem klar weiss macht, dass der Bär hier der Herr im Hause ist. Jetzt schon freute ich mich, diesem zu begegnen.
Brav folgte ich den Bärentatzen am Boden, die dem Besucher den Weg durch den Zoo weisen.
Ich will euch nun nicht langweilen mit meinen Eindrücken vom Zoo. Ich will dies so kurz wie möglich erzählen, doch wie gesagt, auch unsere Bloggäste sollen sich ein Bild machen können. Vorbei an Terrarien mit Kröten und Fröschen, landete ich bei einem tollen Aquarium mit vielen Fischen.

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Das Farbenspiel war einfach herrlich. Lediglich die Scheiben könnten etwas geputzter sein, dachte ich. Aber bei dem Andrang sicherlich ein schwieriges Unterfangen. Egal, noch war die Welt in Ordnung für mich. Tolle Terrarien und tolle Aquarien. Einfach tolle Fotomotive, wenn auch mit nerviger Maske auf. Mir waren es dort schon zu viel Menschen im Raum, aber sicher ist sicher.

Gleich mal ein Dämpfer

Das erste Mal erfuhr meine Stimmung einen Dämpfer, als ich zum Wolfsgehege kam. Nach langem Suchen erblickte ich ihn. Endlich, ein Wolf in Lebensgröße. Ein großes Gehege und viel Platz, damit ich auch ein Foto machen konnte, wo dieser dämliche Zaun mal nicht sich in den Vordergrund drängte. Dann entdeckte ich eine kleine Tafel am Gehege, auf der stand, dass das Männchen Attila wegen seines schlechten Gesundheitszustandes eingeschläfert werden musste. Er hatte Krebs. Sofort schoss es mir durch den Kopf…..der einsame Wolf bzw. in diesem Fall die einsame Wölfin. Wie musste wohl diesem Wolf zu Mute sein, keinen Partner mehr zu haben. Eines Tages einfach alleine zu sein. Dann fiel mir auf, dass der Wolf systematisch Runden drehte. Wie ein Uhrzeiger streifte er durch sein eingeschränktes Revier. Man hätte die Uhr danach stellen können, wann er wieder an einem vorbei kam. Nur hie und da schenkte er einem schreienden Kind etwas Beachtung und blieb für einen kurzen Moment stehen. Der Moment für das Foto. Mit etwas Traurigkeit erfüllt, machte ich mich weiter auf den Weg.

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Ja ja, diese Geier

So ging es dann dahin, von einem Gehege um nächsten. Nur die Geier bekamen von mir besonders viel Aufmerksamkeit. Man konnte dort durch das Gehege durchgehen. So wirklich, eingesperrt mit diesen imposanten Vögeln, ein Erlebnis. Auch das Gehege machte einen tollen, modernen Eindruck, wenn auch mir das Metallgitter etwas zu massiv erschien. Erst als ein Geier abhob, um von einem Ende zu andern zu kommen, bemerkte ich, dass meiner Meinung nach, das Voliere viel zu klein war, für diese Herrscher der Lüfte. Ein Fliegen und Gleiten ja schier unmöglich für sie war.

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Irgendetwas änderte sich in mir. Ich machte zwar tolle Fotos, doch eigentlich spiegelten diese in keinster Weise das Tatsächliche wieder. Das, was ich in diesem Moment fühlte. Ich kam mir vor wie ein Lügner, einer, der die Wirklichkeit durch Wahl der richtigen Blende verschönerte, um von der eigentlichen Tragödie abzulenken. Aber das war ja auch nicht wirklich meine Aufgabenstellung und ich marschierte weiter. An Steinböcken, Elchen, Kühen, Ziegen, Mardern vorbei, bis hin zu den Luchsen.

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So süss dieser Luchs

Der Luchs bekam wieder volle Aufmerksamkeit von mir, weil dieser mir auch in freier Wildbahn in der Slowakei über den Weg laufen könnte. Die Luchsmama kuschelte sich zärtlich an ihr Luchsbaby, einfach nur süss. Der Luchspapa hingegen verweilte weit über unseren Köpfen, auf der riesigen Tanne. Eingekeilt zwischen Ästen lag er da und schaute diesem Treiben am Boden zu. Auf einer Tafel stand, dass dies sein Lieblingsplatz sei. Na no na ned, das war der entlegenste Platz im Gehege. Wenn man weiss, dass Luchmännchen Einzelgänger sind und sich nur zur Paarung mit den Weibchen treffen, dann blieb dem Armen ja nichts anderes übrig, als sich so weit wie möglich aus dem Staub zu machen. Und da ringsherum ein Zaun die Grenzen seines Reviers eingrenzte, blieb nur mehr der Weg nach oben. Weit weg vom Trubel, weit weg von diesen schreienden Menschen, die mit Fingern, Handys und Walkingstöcken auf ihn zielten.

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Ich verstand das Luchsmännchen.
Mittlerweile gingen mir die Menschen auch auf den Geist.
Schreiend, lachend und mit komischen Lauten von sich gebend, versuchten sie, die Aufmerksamkeit der Tiere auf sich zu ziehen,
um mit ihrem Handy das bestmögliche Foto zu schießen.
Ich sag es euch, ich schämte mich vor den Tieren, zu dieser Rasse zu gehören.
Wirklich!

Etwas genervt war ich wieder am Ein- bzw. Ausgang angekommen und stellte fest, dass mir der Bär noch nicht übern weggelaufen war. Dieser musste unbedingt von mir abgelichtet werden, denn auch Meister Petz kann mir in der Slowakei in Natura über den Weg laufen. Also suchte ich das Bärengehege. Auf der Rundreise, den Bärentatzen am Boden folgend, war es die letzte Station, so ganz nach dem Motto, das Beste und Aufregenste zum Schluss. Zeit hatte ich genug, denn mit Überraschung stellte ich fest, dass ich bis jetzt trotz Fotografieren erst eine Stunde am Weg war.
Da war es nun, das Bärengehege. Neugierig versuchte ich einen Bär zu erspähen, doch vergebens. Ein grosses Gehege mit eigenem Wasserfall, ja sogar einem Pool für Meister Petz machte vorerst einen wahnsinnig tollen Eindruck auf mich. Doch weit und breit kein Bär.
Also setzte ich mich geduldig auf eine Bank und wartete.

Wo war der Bär?

Ich wartete und wartete und dann war es soweit. Am anderen Ende des Geheges sah ich ihn. Der so heiss ersehnte Moment war gekommen. Ein Bär in voller Lebensgröße, lebendig und wahrhaftig für meinen Abschuss bereit. Abschuss im fotografischen Sinne natürlich. Das Tele leistete mir dabei gute Dienste. Durch den Sucher sah ich, dass am anderen Ende so eine Sichtscheibe war. Eine große Scheibe, um dem Bären so nahe wie möglich zu sein. Nur cm von diesem Koloss entfernt. “Das muss DAS Erlebnis sein”, dachte ich und machte mich auf den Weg dorthin. Dort angekommen, kam alles anders als erhofft.

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Es war das Erlebnis vom Tag, aber in einem ganz anderen Sinn. Diesem Bären so nah zu sein, getrennt nur durch eine vielleicht 2 cm dicke Scheibe, löste vieles in mir aus. Vieles, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Ich stand vor ihm und blickte in seine Augen. Dann durchfuhr es mich, ein Schauer ging tief unter die Haut. Es lief mir kalt über den Rücken, mir wurde zugleich unerträglich heiss und ich war voll und ganz in seinen Bann gezogen. Ich registrierte die Menschen um mich kaum noch. Ihre Schreie, ihr Klopfen an die Scheibe, ihr Lachen, ihre gezückten Handys… alles nahm ich nur noch so im Augenwinkel wahr. Es schien, als ob der Bär mich auf etwas aufmerksam machen wollte. Es schien so, als ob ich plötzlich all seine Gesten, seine Blicke und sein Tun verstehen konnte. So, als ob ich plötzlich die Sprache “Bärisch” konnte. Tiefe Trauer, enormes Mitleid und riesige Wut wechselten sich bei mir sekündlich ab. Trotz der ganzen Menschen um mich flossen mir plötzlich Tränen über die Wangen, um sich dann in meinem Mundschutz zu sammeln. Ich kann euch nicht beschreiben wie ich mich in dem Moment fühlte.

War ich denn der einzige, der diese Schwingungen empfangen konnte?

War ich jetzt verrückt geworden, oder hatte ich Sauerstoffmangel durch die dämliche Maske?
Spielte mir mein Gehirn einen Streich?
Nein, denn auch eine Dame neben mir sagte plötzlich, dass sie sich das nicht mehr anschauen könne. Sie müsse gehen.
Also doch…..ich verspürte es richtig.
Meine Tränen waren echt, die Gefühle so intensiv wie selten und das Fotografieren plötzlich nur mehr reine Nebensache.

Alle Gedanken, die mir gleichzeitig durch den Kopf gingen, versuche ich nun euch wieder zugeben. Erst komme ich zum eigentlichen Thema dieses Beitrags.
Mir ist es enorm wichtig, dass ihr die folgenden Zeilen aufmerksam durchlest, euch eine eigene Meinung bildet und sie mir bitte unterhalb des Artikels mitteilt. Ich wählte den Titel ” Mein Interview mit einem Bären” ganz bewusst.
Um etwas mitzuteilen, um auf etwas Aufmerksam zumachen, bedarf es keiner Worte. Gefühle übertragen sich viel intensiver als Worte es je können werden. Es gibt Situationen zwischen Menschen, die keiner Worte bedürfen und trotzdem jeder weiss, was gesprochen wird. Genauso gibt es solch Situationen zwischen Mensch und Tier. Dies war so eine Begegnung.
Im Folgenden nun meine Gedanken, die diese Begegnung mit dem Bären ausgelöst wurden – aus Sicht des Bären.


Mein Interview mit einem Bär

“Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Bär. Braun Bär.
Als eines der größten Säugetiere unter den Raubtieren hier in Europa spielten meine Vorfahren schon eine große Rolle in euren Fabeln und Märchen. Es gab und gibt noch immer zahlreiche Mythen um meine Art. Noch heute bin ich so etwas wie die Attraktion hier im Zoo. Der sogenannte Publikumsmagnet, wenn man so will.

Ich bin der verkannte Star

Viele Menschen kommen Tag für Tag hierher, nur um mich zu sehen und obwohl sie alle mit großen Augen mich anschauen, sehen sie doch nur das, was sie sehen wollen. Erkennen tun sie dabei nicht wirklich etwas, eigentlich rein gar nichts. Der Großteil der Menschen hat keine Ahnung, weder von mir, noch von meinem Leben hier und schon gar nicht von meinem Leiden. Den einen geht es nur darum, mich mit dem Handy abzulichten, den anderen nur darum, den größtmöglichen Profit aus mir zu schlagen. So zu sagen, bin ich eigentlich nur ein Mittel zum Zweck.
Von meinem ursprünglichem Dasein auf dieser Erde bin ich genauso weit entfernt, so weit weg die Sterne am Himmel sind.

Ich bin ein Einzelgänger

Du musst wissen, dass ich eigentlich ein Einzelgänger bin. Mit Meinesgleichen treffe ich mich in freier Wildbahn normalerweise nur, wenn es darum geht, meine Art zu erhalten. Dann treffen wir uns zu einem “Rambazamba” und wenn alles klappt, ist es alleine meine Aufgabe den Nachwuchs großzuziehen. Papabär hingegen geht dann seine eigenen Wege und ist bemüht, sein Bestes für die Arterhaltung zu geben. Hier im Zoo hingegen muss ich meine Zelle mit einem Leidensgenossen teilen. An Rambazamba denkt hier keiner, schon gar nicht mit einem Partner, den man sich nicht selbst ausgesucht hat. Arterhaltung spielt hier nicht wirklich eine Rolle, man will für seinen Nachwuchs doch nur das Beste und sicherlich kein Leben hinter Gittern.
Das Bärenmännchen ist nur da, damit ich mich nicht so alleine fühle, sagen sie, die Menschen. Ach wenn die nur wüssten: in diesem Fall ist geteiltes Leid doch nur doppeltes
Leid.

Wir haben hier eine Zelle mit Swimmingpool und Wasserfall, damit es uns an nichts fehlt. Sich aus dem Weg zu gehen wird hier drinnen aber sehr schwierig, vor allem dann, wenn er wieder mal den Macho raushängen lassen muss. Regelmäßig bekommen wir hier Fressen und werden auch tierärztlich untersucht damit es uns gut geht. Körperlich zumindest, seelisch sieht es leider ganz anders aus. Eine Zelle mit Bächlein und Planschbecken ist und bleibt nur eine Zelle. Wir sind gefangen in einem goldenen Käfig, zur Belustigung und für die Profitgier der Menschen. Es heisst dauernd, alles sei zu unserem Wohle. Aber genau das verstehe ich einfach nicht. Wenn Menschen etwas schlimmes tun, werden auch sie weggesperrt, zur Strafe in eine Zelle – halt nur für Menschen. Bei Menschen ist das Wegsperren eine Strafe und für uns soll es zu unserem Wohle sein? Wenn ich doch wüsste, was ich verbrochen habe?

Es gleicht jeder Tag dem anderen

Wir, mein Zellengenosse und ich, haben uns mittlerweile arrangiert. Ein Zusammenleben auf Zeit sozusagen, vereint durch das selbe Schicksal. Ich kann euch gar nicht sagen was es wirklich heisst, hier eingesperrt zu sein, umringt von hohen Mauern. Diese wären ja eigentlich kein Problem für uns, wir können gut klettern, aber dieser verfluchte, unter Strom gesetze, Metallzaun macht eine Flucht unmöglich.
Meine freilebenden Artgenossen haben Reviere so gross, dass ich es mir nicht mal vorstellen kann. Ach muss das schön sein, keinen einzigen Tag am selben Fleck aufzuwachen. In Freiheit, in der Natur und mit all den anderen Tieren zusammen. Zu Fressen auf das man Lust hat oder gerade so beim Durchsteifen der grünen Wälder so findet und nicht das hinunterzuwürgen, das einem gerade vorgesetzt wird.

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  • interview_mit_baer_traurig_lucinaslife
  • interview_mit_baer_hinter_scheibe_lucinaslife

Ab und zu kommt mich mal meine Freundin die Krähe hier besuchen und erzählt mir von der großen, weiten Welt da draussen. Dabei lege ich gerne in die Wanne, entspanne und lausche gespannt ihren Erzählungen. Mit jedem Male wächst dabei meine Sehnsucht nach etwas mir völlig Unbekannten, namens Freiheit. Die Sehnsucht nach dem Leben da draussen wird dabei immer größer. Jedoch je größer die Sehnsucht, desto unerträglicher wird das scheinbar behütete Leben hier drinnen. Teilweise haben mein Kumpel und ich schon resigniert und sogar schon richtige Ticks entwickelt. Mein Zellengenosse zum Beispiel, versucht krampfhaft den ganzen Tag zu verschlafen – er glaubt seinen Seelenfrieden im Land der Träume zu finden.

Die Hoffnung stirbt als letztes

Ich hingegen versuche immer noch wegzulaufen. Dazu nutze ich die hier einzige flache Stelle in unserer Zelle. Unaufhörlich laufe ich die 20 Schritte zuerst in die eine Richtung, um dann wieder 20 in die andere laufen zu können. Bei jeder Kehrtwende hoffe ich, dass sich die Situation oder die Umgebung verändert hat. Doch vergeblich. Als ob ich es nicht wüsste, aber trotzdem mach ich es oft stundenlang, einfach nur darum, damit ich überhaupt etwas mache. Und ihr wisst ja, die liebe Hoffnung stirbt bekanntlich immer als letztes

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Dabei fällt es mir mittlerweile sehr schwer überhaupt noch den Kopf zu heben. Für was auch, diese 20 Schritte könnte ich Schlaf laufen. Aber diesen seelischen Verletzungen lasten mittlerweile so schwer auf meinen Schultern, so schwer wie diese dämliche Eisenkugel, die sie uns hier in unserer Zelle zum Spielen montiert haben. Echt jetzt, ist es wirklich euer Ernst? Als ob wir Bären in freier Wildbahn mit Eisenkugeln jonglieren würden…

Tag für Tag

Ich laufe immer vorbei am großen Sichtfenster, hinter dem die Menschen stehen und mich ständig anstarren. Nicht mal mehr die leuchtenden Menschenkinderaugen erfreuen mich mittlerweile, denn ich weiss, dass aus denen genau diese Menschen werden, denen ich mein Leben hier in Gefangenschaft zu verdanken habe. Nur vereinzelt und ganz selten höre ich Menschenmütter zu ihrem Nachwuchs sagen, dass ich ein trauriger Bär sei. Wie recht sie doch haben….aber auch wenn es manche erkennen, ändern tut sich deshalb nichts. Ein Tag wie der andere, nur die Kreaturen hinter dieser Scheibe ändern sich, aber das Verhalten bleibt immer das gleiche. Nur ab und zu hebe ich meinen Kopf und werfe ihnen Blicke zu. Blicke die keiner Worte bedürfen.

Nichts ist, wie es scheint

Einige wissen die Blicke zu deuten und ziehen dann selbst traurig von dannen. Andere Wiederum klopfen wie wild gegen die Scheibe, machen Grimassen und erwarten sich auch noch Kunststücke von mir. Ich verstehe diese Menschen einfach nicht. Jetzt da sie selbst durch dieses Coronavirus mal für ganze 6 Wochen im Lockdown waren, sollten sie doch wissen, wie es ist, der Freiheit beraubt zu werden. Es zerstört jeglichen Selbsterhaltungstrieb in einem, man wird lethargisch und apathisch. Menschen mussten schon nach 6 Wochen psychologisch betreut werden, aber was sollen wir das sagen, wir Zootiere.
Mein Freund der Steinadler zum Beispiel, der König der Lüfte, so nennen sie ihn, ist verdammt zum selben Schicksal. Mit nur 3 Flügelschlägen von einem zum anderen Ende seines Volieres. Thermik nutzen und ein Hinaufgleiten in schwindelerregende Höhen ….. Fehlanzeige, auch für ihn nur ein unrealistischer Traum.
Ich hoffe, der liebe Gott möge euch Menschen verzeihen. Niemand sollte sich so über irgendein Lebewesen stellen dürfen. Einzig Gott alleine sollte richten.

Es ist nicht wahr

Auch ist es nicht wahr, was so über uns geschrieben steht. Sogar auf unserer Gefängnishomepage steht geschrieben, dass unsere Wärter nur dann ins Gehege dürfen, wenn wir in unserer künstlichen Bärenhöhle auf noch engerem Raum versperrt wurden. Jeglicher Kontakt könnte tödlich sein. Seid mal ehrlich…..wer würde sich denn nicht gegen so ein trostloses Dasein und so ein Martyrium wehren? Wir sind keine blutrünstigen Monster – wenn es nach uns gehen würde, dann könnten wir auch mit dem Menschen leben. Wir haben es ja schon Jahrtausende getan – schon vergessen? Man sieht es doch auch heute noch in anderen Ländern, dass es geht. Wir stellen doch sowieso jeder Begegnung mit euch aus, denn uns wurde schon von klein auf vermittelt, wie gefährlich ihr Menschen seid. Wenn wir töten, dann ausschließlich zur Nahrungsaufnahme, des reinen Überlebenswillens. Soviel ich weiss, ist es doch der Mensch, der täglich Millionen Tierleben auf dem Gewissen hat und meist nur aus reiner Profitgier. Also wer ist nun hier das Monster?

Bruno, mein Vorbild

Vielleicht könnt ihr euch noch an Bruno, meinen Artgenossen aus Südtirol erinnern. Dieser italienische Gigolo machte sich auf den Weg in die große, weite Welt um seine Traumfrau zu finden. Er durfte in Freiheit leben, solange, bis er sich in eure Nähe traute. Das war sein Todesurteil. Auf die Lauer habt ihr euch gelegt und ihn kaltblütig erschossen, ihr Mörder.
Ich hoffe, dass wenn eines Tages meine Zeit gekommen ist, ich Gigolo Bruno im Bärenhimmel einmal treffen darf. Dann kann er mir von dem erzählen, was mir in meinem Leben verwehrt wurde. Vom grossen Traum, ein wenn auch kurzes, aber erfülltes Leben in Freiheit gelebt zu haben.

Der Traum von Veränderung durch das Interview

Ihr Menschen, die ihr nun von meinen Worten berührt seid, bitte ich, diesen Beitrag zu teilen. Auf Insta, Facebook oder was es sonst noch so in eurer Welt so gibt. Ich wünsche mir einfach, dass viele Menschen diesen Text zu lesen bekommen und vielleicht einige anfangen darüber nachzudenken. Sich Gedanken darüber zu machen, ob nicht auch ein Zoogefängnis etwas ist, das einfach nicht mehr zeitgemäß erscheint. Und wenn nur einer ins Grübeln kommt – es wäre ein kleiner Schritt und ein Anfang.
Und an all diejenigen, die diese Zeilen nur als bäriges Geschwafel abtun: ich wünsche euch eine bessere Zeit, als ich sie hier habe. Nützt eure Freiheit, genießt sie und wahrscheinlich sehen wir uns eh mal……also bis irgendwann mal hier im Zoo, auf der anderen Seite der Glasscheibe.


So, eigentlich bedarf es keiner weiteren Worte, aber ich möchte euch noch mitteilen wie dieser Tag geendet hatte. Wie gesagt, ein sehr bedrückendes Gefühl durchfuhr mich und um ehrlich zu sein, fühlte ich mich einfach nur schuldig. Schuldig, mit meinem Eintritt so einen Zoo zu unterstützen, bei einer Sache, die mir eigentlich gewaltig durch den Strich geht. Schuldig, trotz dem Erkennen des Unrechts, nichts dagegen machen zu können – oder doch?
Genau aus diesem Grunde schreibe ich euch hier meine Gefühle und Eindrücke nieder.
Auch wenn ich weiss, dass viele nur Bildchen schauen, weiss ich dass es wenige gibt, die auch lesen. Die Bilder täuschen leider über die Wirklichkeit hinweg, aber die Worte geben genau das wieder, was mir in wenigen Sekunden durch den Kopf ging.
Traurig und mit einem ganz schlechten Gefühl brach ich meinen Zooausflug mit einem “Entschuldige Bär” ab und machte mich auf den Weg nach Hause, um diesen Bericht zu schreiben.

Ich wünsche mir, dass ihr mir wirklich ehrlich eure Meinung dazu unten in die Kommentare schreibt, weil es mich wirklich interessiert.